Alternative Zugänge sind der Übergangsbereich vom Schädel zur Wirbelsäule (cervicocranialer Zugang) oder die Augenhöhle (transorbitaler Zugang). Wir konnten jedoch in beiden Regionen keinerlei artifizielle Erweiterungen oder sonstige Defekte erkennen. In den Augenhöhlen wurden die Augäpfel durch runde, annähernd kugelförmige Objekte ersetzt, bei denen es sich offensichtlich um zu Kugeln geformte und mit Harzen fixierte Leinenstoffe handelt. Ein weiterer Flüssigkeitsspiegel fand sich in der Keilbeinhöhle (Sinus sphenoidalis). Die unmittelbare Nachbarschaft zur Augenhöhle und der Umstand, dass in den Augenhöhlen eindeutig Manipulationen vorgenommen wurden, sprechen eher für eine Entfernung des Gehirns über den transorbitalen Zugang. In diesem Fall hätten die Balsamierer die Fissura orbitalis, die ziemlich schmale natürliche Öffnung der Augenhöhle zur Schädelhöhle, genutzt, ohne sie allerdings künstlich zu erweitern.
Auch in der Mundhöhle findet sich eine Tamponade aus Leinenstoffen. Es sind nur noch fünf Zähne erkennbar, was auf ein höheres Sterbealter deutet. Dieser Befund steht im Einklang mit einer Atrophie der Schädelknochen im seitlichen Bereich und einem vollständigen Verschluss der Schädelnähte. Die Wirbelsäule hingegen zeigt kaum Abnutzungserscheinungen und keinerlei Defekte. Das höhere Sterbealter verrät sich hier aber durch altersspezifische Degenerationsmerkmale, so dass insgesamt von einem Sterbealter von mindestens 60 Jahren auszugehen ist. Der geringe Abnutzungsgrad der Skelettelemente lässt sich durch geringe physische Belastungen erklären. Die Verstorbene hat offensichtlich keine schweren körperlichen Tätigkeiten verrichtet. Es sind am gesamten Skelett keinerlei Defekte erkennbar, auch keine verheilten Knochenbrüche.
Auch aus der Leibeshöhle wurden alle inneren Organe über einen deutlich erkennbaren Einschnitt von ca. 8-10 cm Länge im linken Unterbauch entfernt. Selbst die trennenden Strukturen zwischen Brust- und Bauchhöhle – vor allem das Zwerchfell – wurden komplett ausgeräumt und die Grenzen zwischen den beiden Leibeshöhlen somit aufgehoben. Die Leibeshöhle wurde dann von innen mit Harzen versiegelt, die auch in den Rückenmarkskanal eingedrungen sind. Da sich die Harze eher in den unteren als in den oberen Abschnitten der Wirbelsäule nachweisen lassen, ist dies kein Hinweis auf eine Entfernung des Gehirns über das Foramen Magnum oder eine andere Struktur im Bereich der Schädelbasis. Die anatomischen Strukturen in unmittelbarer Nachbarschaft der Wirbelsäule sind erhalten. Die Luftröhre lässt sich von kranial bis zur Gabelung in die beiden Hauptbronchien verfolgen. Nach der Versiegelung mit Harzen wurde die Leibeshöhle mit einem granulatartigen Füllmaterial, möglicherweise Schlamm, vollständig ausgepolstert. Diese Auspolsterung ist derart kompakt, dass keine unausgefüllten Zwischenräume erkennbar sind und dass die ursprüngliche Körperkontur wiederhergestellt wurde. Im Bereich des Einschnitts hat man großzügig Harz eingebracht und den Einschnitt mit harzgetränkten Leinenbinden verschlossen. Im Beckenbereich hingegen sind Weichteilstrukturen noch erkennbar.
Insgesamt sprechen die bisherigen Ergebnisse der CT-Untersuchung für folgenden Gesamtbefund: Es handelt sich um den Körper der auf dem Sarg genannten Frau, die im höheren Lebensalter von vermutlich deutlich über 60 Jahren verstorben ist. Sie gehörte eindeutig der Oberschicht an, wofür die geringgradigen Abnutzungserscheinungen am Skelett ebenso sprechen wie die aufwendige und außergewöhnlich sorgfältig ausgeführte Balsamierungstechnik. Gehirn und innere Organe wurden entfernt, das Gehirn vermutlich transorbital. Die Augäpfel wurden durch künstliche, aus Leinenstoffen gefertigte Strukturen ersetzt und in die Schädelhöhle wurden Balsamierungsharze eingefüllt. Die gesamte Brust- und Bauchhöhle wurde mit einem unbekannten Füllmaterial – möglicherweise Schlamm – ausgepolstert. Bei der Gehirnentfernung haben die Balsamierer ausschließlich natürliche Zugänge genutzt und keinerlei Defekte verursacht, was absolut außergewöhnlich ist und ein extrem hohes Niveau der Mumifizierungstechnik erkennen lässt. Hinweise zu einem möglichen Krankheitsgeschehen oder zur Todesursache haben wir nicht gefunden, was aber nicht ungewöhnlich ist, da sich die Mehrzahl der Krankheiten in den inneren Organen manifestiert, die beiden ägyptischen Mumien regelmäßig fehlen.
Mumie der Ta-cheru: Untersuchungsergebnisse
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