Neue Indianer

Entgegen aller Erwartungen haben die Ureinwohner Nordamerikas bis ins 21. Jahrhundert überlebt – heute zählt man in den USA und Kanada mehr ihrer Nachkommen als fast je zuvor in der Geschichte. Bei allem Stolz auf ihre Tradition, Identität und ihr kulturelles Erbe sind die Veränderungen, die ein halbes Jahrtausend des Kontakts mit der westlichen Welt und die Folgen der Globalisierung mit sich bringen, nicht spurlos an ihnen vorübergegangen – aber auch nicht an uns selbst. Mit ihren Vorfahren haben die heutigen indigenen Bevölkerungen so viel gemeinsam wie wir mit dem Biedermeier. [the_ad id=”5006″][the_ad id=”5523″]

Edwin Calfrobe, Blood © Alberta Foto: Christine Turnauer

Edwin Calfrobe, Blood © Alberta Foto: Christine Turnauer um 1985

Wo leben heute die meisten Indianer? Dem weltweiten Trend folgend, zieht es die indigene Bevölkerung Nordamerikas zunehmend in Städte. Im Jahr 2000 hatten zehn Städte in Kanada sowie zehn Städte in Nordamerika jeweils mehr als 10.000 indianischstämmige Einwohner. Etwa gleich viele leben jeweils in Grönland sowie in gut zwölf Reservationen in den USA. Hingegen konzentriert sich der indigene Landbesitz auf den dünnbesiedelten Norden und Westen Amerikas.

Rückbesinnung auf die Tradition: Die Zunahme der indianischstämmigen Bevölkerung Nordamerikas hatte in den letzten 30 Jahren zwei wesentliche Ursachen. Zum einen sind indigene Familien meist relativ kinderreich. Zum anderen gab es immer mehr Menschen indigener Herkunft, die sich vergleichsweise nahtlos in die Mehrheitsgesellschaft integriert hatten, sich dann aber auf ihr Erbe besannen – und Anschluss an indigene Lebensgemeinschaften suchten.

Vielfalt und Identität: Bis heute lebt die Mehrzahl der indigenen Bevölkerung Nordamerikas in Stammesgemeinschaften, deren unterschiedliche Überlieferung und historische Prägung die Ursachen für eine anhaltende kulturelle Vielfalt sind. Trotz dieser Unterschiede bildeten die Mitglieder der indigenen Stämme unter dem Eindruck einer bis in die Gegenwart reichenden kolonialen Erfahrung eine neue Identität als »Indianer« aus. Heute sind die Ureinwohner Nordamerikas pluralistische Gemeinschaften mit unterschiedlichen Werten und Lebensstilen. Was sie vereint, ist das gemeinsame Erbe ihrer doppelten Identität – der ihres eigenen Stammes und der als »Indianer«.

Indigene Völker und Nationalstaaten: Das Leben der indigenen Bevölkerung Nordamerikas ist heute von einem grundsätzlichen Widerspruch geprägt. Einerseits leben ihre Mitglieder in verschiedenen Nationalstaaten und sind als solche Bürger dieser Staaten – mit allen zivilen Pflichten und Rechten. Andererseits gelten die Stämme rechtlich immer noch als »einheimische abhängige Nationen«, was mit einer Einschränkung ihrer Rechte verbunden ist. Als ursprüngliche Besitzer des Landes verfügen die indigenen Völker über besondere Rechte, als Bürger fühlen sie sich oft benachteiligt und diskriminiert.

Mobilität: Bevor die Europäer die Neue Welt entdeckten, lebte ein Teil der indianischen Völker dort als Nomaden. Diese Lebensweise war aus Sicht der Europäer eine unstete und wurde als Vorwand benutzt, um bäuerliche Sesshaftigkeit als nötige Grundlage für »Zivilisation« und Integration anzusehen und damit ihr Recht auf Landbesitz anzuzweifeln. Heute verlangt man von den Bewohnern der Reservationen das Gegenteil: Sie sollen möglichst mobil sein, um der Armut in den Reservationen zu entkommen und sich anderswo Arbeit zu suchen. Und so ist heute für die indianischstämmige Bevölkerung das, was früher das Pferd war, das Auto. Beide waren ursprünglich absolute Neuheiten, und beide wurden zu einem Symbol für die indianische Lebensweise.

Kunst & Handwerk

Kunst & Handwerk - Bemalte Schale © Museum für Völkerkunde Foto: Christian Feest

Bemalte Schale © Museum für Völkerkunde Foto: Christian Feest

Obwohl es in Nordamerika Hunderte indigener Sprachen gibt, kennt keine von ihnen einen Begriff für »Kunst«. Trotzdem kann man von einem indigenen Kunsthandwerk sprechen. Denn die Dinge, die die Mitglieder der indianischen Völker für ihren täglichen Gebrauch herstellten, zeichneten sich neben ihrer Zweckmäßigkeit immer auch durch formale Gestaltung aus. Wenn man Kunst als eine Art »Luxus der Form« begreifen möchte, kann man das Handwerk der Indianer in weiten Teilen durchaus als »Kunst« bezeichnen. Die Weitergabe handwerklicher Kenntnisse von Vätern auf Söhne und von Müttern auf Töchter führte zur Ausbildung männlicher und weiblicher Stile. Die männlichen Stile finden sich vor allem im Bereich der figürlichen Malerei und Bildhauerei, die weiblichen neigen zu abstrakten Formen bei der Ausgestaltung von Textilien, Keramik und Leder.[the_ad id=”5006″][the_ad id=”5523″]

Bandoliertaschen Indianer Ausstellung - Copyright: Andreas Jacob

Ausstellung INDIANER
© Andreas Jacob

Frauenkünste: Bei den indigenen Völkern Nordamerikas herrschte im Arbeitsbereich eine strikte Trennung der Geschlechter vor. Korbflechterei und die Herstellung von Stoffen und Geweben waren ausschließlich weibliche Tätigkeiten. Die dafür verwendeten Materialien und die dafür notwendigen Werkzeuge gaben ganz bestimmte Muster vor, und diese waren in der Regel abstrakt, meist geometrisch. Dieses Repertoire an Mustern und Formen beeinflusste die Bemalung von Keramik wie auch die Verarbeitung und Dekorierung von Lederwaren. In der jüngeren Vergangenheit hat sich das weibliche Formen- und Dekorationsspektrum jedoch erweitert. Nach und nach wurden Vorbilder des männlichen Kunsthandwerks übernommen, neue Handwerkstechniken brachten neue Dekore mit sich und die Bedürfnisse neuer Märkte, nicht zuletzt die Herstellung von Souvenirs, trugen ebenfalls zum Formenreichtum des gegenwärtigen weiblichen indianischen Kunsthandwerks bei.

Töpferin Nampeyo (1860 – 1942): Die Töpferkunst der Hopi genießt weithin einen besonderen Ruf. Das ist ursprünglich das Verdienst einer herausragenden künstlerischen Begabung, nämlich der Töpferin Nampeyo (1860 – 1942) aus dem Dorf Hano auf der ersten Mesa. Nampeyo ließ sich als junge Frau von prähistorischen Keramikscherben der Sikyatki-Zeit (14. – 17. Jahrhundert) zu ihren eigenen Töpferarbeiten inspirieren. In der Szene der Keramiksammler fanden ihre Arbeiten bald großes Interesse. Nampeyos Töchter Annie, Nellie und Fannie und deren Kinder haben das Talent von Nampeyo geerbt. Mit ihren eigenen künstlerischen Arbeiten tragen sie bis heute dazu bei, dass der typische Nampeyo-Stil weiterlebt.

Perlen

Gürtelschliesse, Ottawa, Michigan um 1980 © Museum für Völkerkunde Wien

Gürtelschliesse, Ottawa, Michigan um 1980 © Museum für Völkerkunde Wien (Slg. Christian Feest)

Perlen spielten bei den Ureinwohnern Nordamerikas bereits in vorgeschichtlicher Zeit eine wichtige Rolle. Sie wurden aus Muschelschalen, Schneckenhäusern, Steinen oder Korallen gefertigt. Perlen aus Glas kannten die Indianer nicht. Umso mehr waren sie von Glas fasziniert, als sie es durch die Europäer kennenlernten. Die Technik der Glasherstellung blieb ihnen lange Zeit unbekannt. Doch stiegen sie relativ rasch in den Handel mit Glasperlen mit den Europäern ein. Ab dem 18. Jahrhundert wurden die kleinen bunten Glasperlen, die sich zum Nähen eignen, populär. Damit wurden vor allem Textilien und Lederwaren verziert. Wie hoch die Indianer den Wert von Glasperlen einschätzten, erkennt man daran, dass die Munsee 1626 die Insel Manhattan für den Preis einer Handvoll Glasperlen an die Holländer verkauften.[the_ad id=”5006″][the_ad id=”5523″]Mühevolle Handarbeit: Obwohl Muscheln und Schneckenschalen häufig zu finden und deshalb nicht unbedingt wertvoll waren, galten die daraus hergestellten Perlen als sehr kostbar. Einfach deshalb, weil sie mühsam herzustellen waren. Jede einzelne Muschel oder Schneckenschale musste mit Hilfe eines Steinbohrers durchlöchert werden. Leichter wurde es mit den Stahlbohrern und den Pumpenbohrern, die später aus Europa importiert wurden.

Herkunft der Glasperlenarbeiten: Vor allem die indianischen Stämme der Great Plains – des weiten, trockenen Prärielands östlich der Rocky Mountains – waren von Glasperlen so fasziniert, dass sie begannen, viele Alltags- und Kultgegenstände damit zu verzieren. In anderen indianischen Siedlungsgebieten, wie zum Beispiel Kalifornien, waren Glasperlen weniger verbreitet. Bei den Stämmen im Südosten Amerikas konnten sie sich ebenfalls nicht dauerhaft durchsetzen.

Techniken der Perlenverarbeitung: Die einfachste Technik, Perlen zu verarbeiten, ist das Auffädeln auf Schnüre. Oder aber man fertigte Einlegearbeiten, indem man Perlen in Holz oder Stein einlegte. Erst als kleinere Perlen in großen Mengen verfügbar waren, entwickelte sich die Technik, Miniaturperlen auf weiches Material zu nähen. Auf diese Weise entstanden Applikationen (zum Beispiel auf Leder), mit denen man alle möglichen Dinge verzieren konnte. Kleinere Perlen ließen sich auch in Form von Netzen in Textilien einweben oder zu Netzen verarbeiten. So führte die Vielfalt der Perlen an Größe, Formen, Farben und Materialien schließlich zu einem reichen kunsthandwerklichen Dekor-Repertoire aus Motiven, Mustern, Linien, Flächen und Farbwechsel.

Katsinam – Gute Geister

Katsinam - gute Geister - Hopi Bohnen Katsina, Arizona um 1910 Morivoskatsina © Museum für Völkerkunde Wien

Bohnen Katsina © Museum für Völkerkunde Wien (slg. Laurent Deleglise)

Im Mittelpunkt der Religion der Hopi steht heute der Glaube an die »Katsinam«, unsichtbare gutartige Geistwesen, die in den San Francisco Mountains südwestlich der Hopi-Dörfer und an »heiligen Quellen« zu Hause sind. Sie verkörpern die »spirituelle Essenz« von Göttern, Tieren, Pflanzen, Himmelskörpern, Wetterphänomenen, der Nachbarvölker der Hopi und der Seelen der Verstorbenen. Die Hopi glauben, dass die Katsinam von der Wintersonnenwende bis zum Juli in Erscheinung treten, und zwar in Gestalt der männlichen Mitglieder von Geheimbünden. Sie erscheinen in den Dörfern, um das Wachstum des Mais und anderer Kulturpflanzen zu fördern. Bei ihren Auftritten erinnern sie die Hopi an die Grundsätze der Lebensführung. Deren Einhaltung ist unbedingt notwendig, um den Fortbestand des kosmischen Kreislaufs zu erhalten.[the_ad id=”5006″][the_ad id=”5523″]Gleichgewicht der Kräfte: Die Heimat der Hopi liegt im Nordosten des US-Bundesstaats Arizona, auf dem trockenen Hochplateau des Colorado River. Ihre Reservation konzentriert sich auf drei langgestreckte Tafelberge (Mesas), wo sie in Dörfern als Feldbauern leben. Ihre Dörfer waren früher politisch und zeremoniell eigenständig. Die Kultur der Hopi ist von dem Glauben durchdrungen, dass Religion und Leben eine untrennbare Einheit bilden. Ihrer Vorstellung nach muss der kosmische Kreislauf geschützt werden. Die Mitglieder der Hopi-Dörfer verschiedener Klane haben sich über Generationen einen Fundus an mythologischem Wissen erworben. Der Kontakt mit der westlichen Welt hat jedoch auch dazu geführt, dass das Verhältnis der Hopi zu ihrer Religion und ihren Werten nicht mehr ungebrochen ist.

Bitte um Regen: Im trockenen Land der Hopi sind die wenigen Quellen am Fuß der Mesas von zentraler Bedeutung für die Wasserversorgung der Dörfer. Sie sind der Ort, an dem im August die Flötenzeremonie abgehalten wird, in der um Regen gebetet wird, der auch die Zisternen auf den Mesas auffüllen soll.

Tanz der Regenbringer: Bei den Katsina-Tänzen (katsìntithu), die ab Anfang Mai im Freien stattfinden, kommen zwischen 40 und 80 Katsinam – vom gleichen Typ oder als gemischte Gruppe (Soyohimkatsinam) – auf die Plaza. Sie sollen als Regenbringer das Wachstum der Pflanzen fördern, auch indem sie die Menschen in eine freudige Stimmung versetzen.

Apachen & Comanchen

Apachen & Comanchen - Mumma Valdez bei der Zubereitung von tiswin, Jicarilla Apache, New Mexiko © Museum für Völkerkunde Wien Foto: Marguerite Rymes

Mumma Valdez © Museum für Völkerkunde Wien (Fotosammling) Foto: Marguerite Rymes, ca. 1931-1933

Die Apache kamen ursprünglich aus dem Norden. Etwa zu der Zeit, als die Spanier Amerika eroberten, erreichten auch sie den Südwesten der USA. Sie bildeten niemals eine politische Einheit sondern waren in verschiedene Stämme unterteilt. Die östlichen Apache (Jicarilla und Lipan) entwickelten sich zu Bisonjägern, nachdem sie durch die Europäer das Pferd kennengelernt und als Nutztier übernommen hatten; die westlichen Apache (Mescalero, Chiricahua, Western Apache) lebten als Jäger und Sammler und begannen allmählich, Mais zu kultivieren. Aufgrund dieser Aufsplitterung blieben die Apache für die Kolonialmächte schwer zu beherrschen. Zudem hatten sie einen gefürchteten Ruf. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, gingen sie auf Raubzüge gegen die sesshaften Pueblovölker, Pima und Papago und später auch gegen die spanischen und amerikanischen Siedlungen.[the_ad id=”5006″][the_ad id=”5523″]Die Comanche und ihre nächsten Verwandten, die Shoshone, Ute und Paiute, lebten ursprünglich in den trockenen, kargen Landschaften der heutigen US-Bundesstaaten Utah, Nevada und Wyoming. Erst spät, im Laufe des 17. Jahrhunderts, kamen sie in ihre heutige Heimat. Im 18. Jahrhundert galten sie als führende Militärmacht und wurden die »Herren der südlichen Plains« genannt. Als Streitmacht spielten sie eine wichtige Rolle in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den spanischen und französischen Kolonisatoren. In den 1840er Jahren hatten sie auch Begegnungen mit deutschen Einwanderern, mit denen sie 1847 einen eigenen Vertrag schlossen.

Die Apache, die Comanche und ihre Nachbarn

Nach ihrer Zuwanderung aus dem Norden im 15. Jahrhundert nahmen die südlichen Athapasken (Apache und Navajo) ein riesiges Gebiet beiderseits der Rocky Mountains für sich in Besitz. Für die dort bereits ansässigen Völker und für die spanischen Kolonisten waren sie nicht immer angenehme Nachbarn. Die Comanche wurden erst durch das Pferd, das die Spanier in Amerika einführten, aus den Wüsten jenseits der Rocky Mountains auf die Steppen gelockt und zu erfolgreichen Reiterkriegern. Die Amerikaner sahen in ihnen noch im frühen 19. Jahrhundert die »Herren der (südlichen) Plains«.

Christianisierung der Indianer

Planwagen - Christianisierung der Indianer

Im frühen 19. Jahrhundert stieß der katholische Glaube bei den Stämmen im Gebiet der Großen Seen auf ein bereitwilliges Interesse. Tiefgreifende politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen hatten bei der indigenen Bevölkerung zu großer Verunsicherung geführt: Das Ende der Pelztierjagd brachte einen grundlegenden wirtschaftlichen Einbruch mit sich und ein massiver Zustrom weißer Siedler zwang zur Anpassung. Als sich herumsprach, dass die Missionare eine kritische Haltung gegenüber der Indianerpolitik der USA einnahmen, brachte ihnen das einen Vertrauensvorschuss ein. Die indigenen Völker setzten sich aktiv mit dem Christentum und den Angeboten der Missionaren auseinander.[the_ad id=”5006″][the_ad id=”5523″]Missionsstationen im westlichen Seengebiet

Im 19. Jahrhundert gab es im westlichen Seengebiet zahlreiche Missionsstationen. Die Briefe, Berichte und Memoiren der Missionare und die von ihnen gesammelten Gegenstände sind heute wichtige Quellen für das Verständnis der indianischen Kultur. Der Bilderkatechismus des Priesters Albert Lacombe (1827 – 1916) illustriert den Weg der Menschheit von der Schöpfung durch die biblische Geschichte und das christliche Zeitalter bis hin zum Jüngsten Gericht entlang zweier Pfade: Während der »Weg des Guten« durch die Ausübung christlicher Tugenden über das Fegefeuer ins Paradies führt, endet der von Götzenanbetung, Heidentum und den Todsünden gekennzeichnete »Weg des Bösen« im Höllenfeuer. Solche Bilderkatechismen waren beliebte Hilfsmittel, um die christliche Heilslehre auch trotz Sprachbarrieren anschaulich zu erklären.

Christentum als Lebensstil

Die Missionare gingen davon aus, dass die Bekehrung zum Christentum auch die Übernahme einer als »zivilisiert« empfundenen Lebensweise mit sich bringt. Ihrer Weltanschauung nach war das eine untrennbar mit dem anderen verbunden. Sie setzten alles daran, der indianischen Bevölkerung mit der Vermittlung des christlichen Glaubens auch ein neues Verhalten beizubringen. Und so erkannte man die zum Christentum bekehrten Stämme bald auch daran, dass sich ihre Alltagskultur dem westlichen Stil angepasst hatte. Das kam den Assimilierungskampagnen der Regierung natürlich mehr als gelegen. Für die Stämme bedeutete die Entstehung christlicher und traditioneller Fraktionen eine zunehmende Belastung. Die Missionare wollten nicht nur den christlichen Glauben, sondern gleich auch ihre Vorstellung von Zivilisation in der Neuen Welt verwurzeln. Die ungezähmte Natur des Waldes wurde in einen Park mit akkuraten Wegen verwandelt.

Sioux

Mato Wamyomni (Whirlwind Bear), Teton Sioux, 1900 © Museum für Völkerkunde Wien Foto: Frank A. Rinehart

Mato Wamyomni (Whirlwind Bear), Teton Sioux, 1900 © Museum für Völkerkunde Wien (Fotosammlung) Foto: Frank A. Rinehart

Im 17. Jahrhundert, im Gebiet des heutigen Minnesota, hatte das Volk der Sioux (Santee, Yankton, Yanktonai und Teton) erstmals Kontakt mit Europäern – mit Missionaren und auch mit französischen Händlern. Im darauffolgenden Jahrhundert gelangten die westlichen Sioux (Teton oder Lakota) in ihren Lebensraum im Gebiet der Great Plains. Sie entwickelten ihre Lebensweise als Bisonjäger und Reiterkrieger und stellten sich dem Westwärtsdrang der europäischen Siedler in den Weg. So kam es zum bewaffneten Konflikt – die »Sioux-Kriege« brachen aus. Indigene und westliche Wertesysteme prallten aufeinander. Gleichzeitig kam es zu einer Spaltung innerhalb der Sioux-Gesellschaft: auf der einen Seite standen nun die konservativen »Traditionalisten«, auf der anderen Seite die anpassungsbereiten »Progressiven«. Dieser Konflikt bestimmte auch nach Ausrottung der Bisonherden und dem Ende des militärischen Widerstands das Leben auf den Reservationen. [the_ad id=”5006″][the_ad id=”5523″]Die Sioux vom 19. bis ins 21. Jahrhundert: Im 19. Jahrhundert bereitete das Volk der Sioux den europäischen Siedlern auf ihrem Weg nach Westen erhebliche Probleme. Sie hatten sich in einem Teil der Great Plains etabliert, einem strategisch wichtigen Gebiet, das die Europäer auf ihrem Weg nach Westen passieren mussten. Die Sioux galten als militärisch schlagkräftig, sie waren ein machtvolles Volk und übten in den Plains eine Führungsrolle aus. Dieser Ruf, gepaart mit ihrem entschlossenen Widerstand, trug dazu bei, dass unser westliches Bild von den Indianern zu einem Großteil durch die Sioux geprägt wurde. Ihr Kampf gegen den europäischen Zug nach Westen schlug sich damals in einem starken Presseecho nieder. Die »Sioux-Kriege« waren der Höhepunkt ihres bewaffneten Widerstands. Sie begannen mit dem Aufstand der Santee Sioux in Minnesota (1862) und endeten mit dem Vertrag von Fort Laramie (1868).

Sioux Bisonschädel für Sonnentanz Oglala Teton Sioux, Pine Ridge Reservation, South Dakota um 1980 © Museum für Völkerkunde Wien

Sioux Bisonschädel für Sonnentanz Oglala Teton Sioux, Pine Ridge Reservation, South Dakota um 1980 © Museum für Völkerkunde Wien (Slg. Heritage Center, Holy Rosary Mission, Pine Ridge)

Jäger, Krieger, Heilige Männer: Der Ruf der Sioux in der westlichen Welt wurde vor allem durch ihre Männer geprägt. Sie waren einerseits Jäger, sorgten mit dem Fleisch der Tiere für Nahrung und mit deren Fell für einträgliche Geschäfte. Der Pelzhandel mit den Europäern brachte gutes Geld, mit dem sich teure Dinge, wie zum Beispiel Glasperlen, kaufen ließen. Die Männer waren aber auch starke Krieger, so dass die Sioux zu den Herren der zentralen Plains aufstiegen. Außerdem gab es unter den Sioux auch Heilige Männer. Sie standen durch ihre Rituale und Visionen in Kontakt mit dem Übernatürlichen. Als die Bisonherden ausgerottet waren und die Sioux den Kampf gegen die übermächtige US-Armee verloren hatten, stürzte das Volk der Sioux in eine tiefe Sinnkrise, in der auch das traditionelle Glaubenssystem in Frage gestellt wurde.

Die Frauen der Sioux: Das Weltbild der Sioux beruht auf der Vorstellung der wechselseitigen Ergänzung männlicher und weiblicher Prinzipien. Eins war ohne das andere nicht denkbar. Auf dieser Vorstellung baute das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben der Sioux auf. Die Frauen hatten im häuslichen Bereich eine Machtstellung. Ihnen gehörte das Tipi, sie standen dem Haushalt vor, waren für die Erziehung der Kinder verantwortlich. Zu ihren Aufgaben gehörte auch, die Tierfelle zu veredeln. Damit trugen sie wesentlich zum Wohlstand der Familie bei. So waren die Geschlechterrollen bei den Sioux klar geregelt und getrennt. Der Unterschied zwischen der Alltagssphäre der Männer und Frauen wurde auch dadurch unterstrichen, dass die Sioux-Frauen untereinander in einer eigenen Sprachform redeten, die sich von der allgemeinen Sprache unterschied.

Russisch Amerika = Alaska

Von 1741 bis 1867 beanspruchte das Russische Reich Alaska für sich. Die Kolonie »Russisch-Amerika«, wie Alaska damals hieß, war in den Augen Russlands eine ergiebige Quelle für die begehrten Seeotter- Pelze, die von den Händlern der Russisch-Amerikanischen Kompanie nach China verkauft wurden. Um an die gewinnbringenden Seeotter heranzukommen, brauchte Russland das Know-how der jagderfahrenen Urbevölkerung. Russland begann daher, die indigenen Arbeitskräfte in ein System von Zwangsverpflichtungen einzubinden, das so rigide war, dass es selbst von den russischen Priestern, die als Missionare nach Alaska gingen, heftig kritisiert wurde. Vor allem die Stämme der Aleut und der Pazifischen Eskimos hatten unter der russischen Herrschaft und ihren Ausbeutungsmechanismen zu leiden. Anders das Volk der Tlingit: Sie konnten sich ihre Freiheit und Unabhängigkeit erhalten. Bis zum Verkauf an die USA im Jahre 1867 blieb Russisch-Amerika eine fast ausschließlich auf den Handel ausgerichtete Kolonie.[the_ad id=”5006″][the_ad id=”5523″]Alles fast beim Alten: Mit dem Eintreffen der Europäer und Russen begann sich das Leben der Urbevölkerung Alaskas allmählich zu verändern. Zum Beispiel bereicherten neue Gegenstände das Alltagsleben. Außerhalb der Siedlungen hatte sich das Leben trotz des russischen Einflusses jedoch kaum verändert.

Fremdgeworden im eigenen Land: Unter russischer Herrschaft wurden in Alaska vielerorts russisch-orthodoxe Kirchen errichtet. Die Vermutung liegt nahe, dass sich viele Ureinwohner Alaskas durch die russische Kolonialherrschaft teilweise wie Fremde im eigenen Land vorgekommen sein dürften.

Zum Christentum bekehrt: Um das Jahr 1806 unternahm Russland eine erste Weltumsegelung. Dabei legte das russische Schiff in der Bucht von San Francisco an. Die Siedlung stand unter spanischer Mission, die offensichtlich recht erfolgreich darin war, die Einheimischen zum christlichen Glauben zu bekehren.

Stämme Russisch Amerikas – Aleut — Mechanismen der Ausbeutung: 1780 gründete Russland seine erste feste Niederlassung auf Unalaska. Die Insel gehört zur Inselgruppe der Aleuten, dem Siedlungsgebiet der Aleut. Sie lebten im Winter in sogenannten Winterdörfern, die aus einer Gruppe halb unterirdisch gelegener Erdhäuser bestanden. Ihre Gesellschaftsform war hierarchisch organisiert. Die besondere Stärke der Aleut lag in der Jagd nach Seeottern. Dieses gewinnbringende Know-how wollte Russland für sich nutzen, um in den Handel mit Seeotter-Fellen groß einzusteigen. In der Folge wurden die Aleut erst tributpflichtig gemacht, um dann mit Hilfe von Waffengewalt und Geiselnahme durch russische Pelzhändler gänzlich zu Zwangsarbeitern degradiert zu werden.

Yup‘ik und Inupiaq: Nach 1830 gingen die Seeotterbestände im Süden Russisch-Amerikas deutlich zurück. Die Russisch- Amerikanische Handelskompanie dehnte deshalb ihr Jagd- und Handelsgebiet in Richtung Norden aus. Im Gebiet der dort ursprünglich lebenden Yup’ik-Eskimos – genauer: am Kuskokwim und im Yukon-Gebiet – gründete die Handelsgesellschaft drei kleine, schlecht ausgestattete Handelsposten. Die Beziehungen zu den dort lebenden nördlichen Nachbarn, den Inupiaq, blieben eher lose. Das Leben der Yup’ik aber begann sich erheblich zu verändern. Ab 1840 kamen immer mehr russisch-orthodoxe Missionare ins Land und die russischen Händler schleppten Krankheitserreger ein, die bis dahin im Siedlungsgebiet der Yup’ik nicht verbreitet waren.

Grönland

Westgrönland Frauenbluse Upnarvik um 1900 © Museum für Völkerkunde Wien Indianer Ausstellung

Frauenbluse © Museum für Völkerkunde Wien (Slg. Rudolf Trebitsch und Robert Stiassny)

Bevor Grönland von den Europäern kolonisiert wurde, lebten hier nur die Kalaallit – die einheimischen Eskimos. Früher als in Nordamerika, nämlich bereits im 10. Jahrhundert, hatten hier die »Nordmänner« eine christliche Kolonie gegründet. 1721 reiste der Pfarrer Hans Egede (1686-1758) mit Erlaubnis des dänisch-norwegischen Königs Frederik IV. nach Grönland, um die dort vermutete kleine Nordmänner-Kolonie in ihrem Glauben zu stärken. Im folgenden Jahrhundert wurden die Kalaallit von der dänischen Staatskirche und Herrnhuter Missionaren endgültig christianisiert. Seither entstand in Grönland eine Gesellschaft, in der sich die Kultur und Tradition der Eskimos mit europäischen Lebensformen mischte. Einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Kolonie hatte die mit einem Monopol versehene Königliche Handelsgesellschaft, die mit Hilfe der Kalaallit die natürlichen Ressourcen ausbeutete. 1979 erhielt Grönland als erste indigene Region Nordamerikas einen autonomen Status. Seitdem Grönland keine Kolonie Dänemarks mehr ist, sondern autonomen Status genießt, wurden die dänischen Ortsbezeichnungen rückgängig gemacht und durch einheimische Ortsnamen ersetzt. Die Namen der Provinzen Avannaa im Norden, Kitaa im Westen und Tuna im Osten entsprechen den Bevölkerungsgruppen Polar-Eskimo, Westgrönland-Eskimo und Ostgrönland-Eskimo, die hier traditionell ansässig sind.[the_ad id=”5006″][the_ad id=”5523″]Grönlands Wirtschaft

Die Grönländer waren immer schon dazu gezwungen, unter großer Abgeschiedenheit vom Rest der Welt und unter extremen Umwelt und Klimabedingungen ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern. Dies gelang ihnen durch technisches Geschick und die Anpassung an die unwirtliche Umwelt. Traditionell lebten sie vom Fischfang und der Jagd. Doch Grönland ist auch reich an Bodenschätzen. Durch den Kontakt mit den europäischen Missionaren und Kolonisatoren begann sich das wirtschaftliche Leben Grönlands stark zu verändern. Es bescherte den Grönländern neue Absatzmärkte, band sie jedoch auch in die gegenseitigen Abhängigkeiten eines globalen Wirtschaftssystems mit ein. Heute sind in Grönland Jagd und Fischfang, aber auch der Bergbau wichtige Erwerbszweige. Zunehmend kommt auch dem Tourismus Bedeutung zu.