Die vielen Götter im alten Ägypten

Götter der Fruchtbarkeit und Natur: Fruchtbarkeit und Wachstum entstehen in Ägypten durch das Wasser des Nils, durch die schwarze Erde, die der Strom mit der Überschwemmung herbeibringt, und durch die Kraft der Sonne. Dem entsprechend erscheinen die Gottheiten der Fruchtbarkeit: in Gestalt des zweigeschlechtlichen Nilgottes Hapi oder als Sonnengott (Amun-)Re-Harachte. Weibliche Gottheiten dagegen sind vor allem Mutter- und Himmelsgottheiten, die den Sonnengott jeden Morgen neu gebären und so die Unendlichkeit der Kreisläufe der Schöpfung garantieren.

Totengötter: Mit dem Tod beginnt der Übergang in eine völlig andere Welt, was besonderen göttlichen Beistandes bedarf. Götter für die Toten sind deshalb vor allem Schutzgottheiten wie der Gott Anubis, der die Toten ins Jenseits geleitet und die Mumie vor Schaden bewahren soll. Osiris, im Mythos durch seinen dunklen Bruder Seth grausam ermordet, wurde im Jenseits zu neuem Leben erweckt – er ist der oberste Totenrichter und gilt als Garant für die Auferstehung der Toten. Als Gleichnis für Tod und Auferstehung des Osiris dient das Samenkorn. Es muss zunächst in der Erde „bestattet“ werden. Das Aufsprießen der Saat signalisiert Wiedergeburt und Überwindung der Vergänglichkeit in den ewigen Kreisläufen des Lebens.

Götter für die Menschen: Götter für die Lebenden sind vor allem Schutzgottheiten. Die mächtige Göttin Thoeris wird in Gestalt eines Nilpferdes verehrt, schützt aber auch schwangere Frauen, ähnlich wie der fratzenhafte, löwenartige Gott Bes. Der Kindgott Harpokrates soll vor Unheil aller Art bewahren. Himmels- und Muttergottheiten wie Isis und Hathor erscheinen in Kuh- oder in menschlicher Gestalt und haben neben ihrem kosmischen Aspekt auch eine machtvolle erotische Seite. Vor allem Hathor gilt, wie die freundliche Katzengöttin Bastet, als Göttin der Liebe, der Freude und der Feste mit Musik, Tanz und dem Genuss berauschender Getränke.

Mächtige Gottheiten: Die Gottheiten Ägyptens, die mit großer Macht ausgestattet sind, sollen vor allem das Königtum als Garant für den Erhalt der Schöpfung und das Land Ägypten als Zentrum der Welt beschützen. Als mächtigste Schutzgötter der Könige gelten der falkengestaltige Sonnengott Re-Harachte, als dessen Sohn der König seit der 4. Dynastie betrachtet wird, und auch der Himmelsgott Horus, der seit der Frühzeit der ägyptischen Geschichte als Falkengott das Königtum Ägyptens verkörpert. Wadjet und Nechbet, die in Schlangen- bzw. Geiergestalt erscheinen, schützen die beiden Landesteile Ägyptens. Daneben werden im Königskult zahlreiche Lokalgötter verehrt, so wie die Kriegsgöttin Neith aus der unterägyptischen Stadt Sais im Nildelta.

Götter im Tempel: Ägyptische Tempel sind ein Abbild des gesamten Kosmos. Der Fußboden stellt die fruchtbare Erde dar, die Pflanzensäulen stützen die sternenverzierte Decke, den Himmel. Götterbilder dienen als Symbol, um den Mächten der Natur Gestalt zu verleihen. Der Falke, ein kämpferisches Tier, das sich pfeilschnell auf seine Beute stürzen kann, gilt als Bild des über den Himmel ziehenden Sonnengottes, jederzeit dazu bereit, Feinde der kosmischen Ordnung zu bekämpfen. Der zeugungskräftige Stier dagegen ist, ähnlich wie der Widder, ein Symbol der schöpferisch-solaren Mächte, welche die Felder befruchten oder als Gott Chnum den Menschen aus Lehm erschufen.